Landschaftsgärtner: Erfahrungen mit der GHE 18V-60

Vorab einige Worte zu mir, wer dies nicht lesen möchte, darf natürlich gerne direkt zum Test springen:

Ich bin seit über 20 Jahren selbständiger Landschaftsgärtner und habe um die 160 Maschinen und Akkus von Bosch Pro registriert, besitze aber auch noch einige Schätze, die nicht registrierbar sind bzw. waren, da die Maschinen nicht mehr erhältlich sind (so z.B. die GFS 350 E inkl. KT oder den GDA 280 E, aber auch Zubehör wie den Fliesentisch GTD oder den Kapp- und Sägetisch MT 600).

Dies schreibe ich nicht, um anzugeben, sondern damit man sieht, daß ich durchaus einen mittelschweren blauen Werkzeugschaden habe.

Ich habe ab 2010 oder 2011 sukzessive von Festool, Hilti, Elu, Flex und Fein auf Bosch Pro umgestellt, weil ich mich damals Knall auf Fall in die GCM 8 SJ verliebt hatte und habe es bis heute, von einigen unrühmlichen Ausnahmen abgesehen (die 36V-Gartengeräte GRA 53, GFR 42 und GHE 70R sowie die erste Version der GKT 18V-52 GC) nicht bereut.

Ich war lange im Bosch-Forum aktiv und hatte damals u.a. einen kleinen Testbericht Festool Rotex vs. Bosch GET 75-150 (https://community.bosch-profes... am 01.07.2019) verfasst sowie einen Beitrag zu den 36V-Gartengeräten, der sich vom Langzeittest zum Leidenstest entwickelte (https://community.bosch-profes...).

Anhand dieser beiden Beispiele kann man gut erkennen, daß ich zwar von sehr vielen blauen Maschinen begeistert bin, aber auch vor Kritik nicht zurückschrecke. Nun aber zum

Test der GHE 18V-60

Da ich mich beruflich, aber auch hobbymäßig sehr für (Hand-)Werkzeuge und Maschinen interessiere, hatte ich natürlich auch das Erscheinen der blauen 18V-Gartengeräte mit Spannung erwartet. Aufgrund meiner schlechten Erfahrungen mit den 36V-Geräten (siehe obigen Link) war ich zunächst etwas skeptisch, vor allem, da die Maschinen zunächst aussahen, als würden sie anstatt im grünen, einfach im blauen Gewand ausgeliefert werden. Ergo einfach umlackiert. Wobei ich mit den grünen Geräten bislang durchweg positive Erfahrungen gemacht habe...

Nach intensiverer Beschäftigung mit den Fakten wurde mir schnell klar, daß dem nicht so ist, sondern seitens Bosch Pro schon einiges an Entwicklung mit eingeflossen sein muß. Allerdings war ich kurz darauf schon wieder leicht irritiert, daß z.B. die GHE 18V-60 NICHT für Landschaftsgärtner, sondern nur für Hausmeisterdienste und Privatanwender konzipiert wurde. Um alle Irrungen und Wirrungen auszuräumen und eventuell meine lästigen 36V-Probleme loszuwerden, überlegte ich geraume Zeit, ob ich mir die GHE trotzdem zulegen sollte.

Glücklicherweise bot Gotools die Möglichkeit, sich für einen Test zu bewerben.. und siehe da, ich durfte die GHE 18V-60 testen. An dieser Stelle an fettes Dankeschön an Gotools!

Als der Karton bei mir eintraf, wurde er sofort freudig und neugierig geöffnet. Erste positive Überraschung: Die wiegt ja wirklich nix! Auch die weiteren optischen und haptischen Eindrücke waren zunächst richtig gut. Gehäuse sauber verarbeitet, einwandfreie Spaltmaße (unsaubere Spaltmaße und seltsame Farben kenne ich ja leider von der GKT 18V-52), die komplette Maschine einfach superklasse ausbalanciert (kenne ich sonst nur von den orange-weißen Motorgeräten),..

ich war baff! In diesem Preissegment nicht gerade alltäglich...

Gut, der Schwertschutz sieht aus als hätte einer dünne Plastikreste zusammengeklebt und der Betriebs-Biber hat die Form dann herausgenagt (O-Ton meiner Freundin). Harte Worte, aber nicht unwahr. Schön ist anders.. allerdings bekommt man bei meiner 36V GHE 70R den (massiv ausgeführten) Schwertschutz oft nur mit sanfter Gewalt herunter, da er gerne verkantet was extrem nervig ist. Die aktuelle Konstruktion lehnt sich an den altbewährten Schwertschutz der orange-weißen HS 80 an und ist wesentlich nutzerfreundlicher. Zudem muß der günstige Preis der GHE 18V-60 ja irgendwo herkommen..

Naja, egal, schließlich will ich ja nicht mit dem Schwertschutz zum Schönheitswettbewerb, also ab zum Praxistest.

Erstes Ziel war das wild wuchernde Gebüsch entlang der Bahnlinie. Eigentlich ist dies die Aufgabe der Bahn, die kümmert sich aber extrem selten darum. Da es sich um eine schmale Einbahnstraße handelt, zerkratzen sich die Anwohner immer die Autos, ergo habe ich seit Längerem die Rückschnitt-Aufgabe bei uns und unserer Nachbarin (alleinstehend, ältere Dame) zweimal jährlich übernommen. Diese Hecke besteht aus kunterbunt gemischtem Wildwuchs wie z.B. Hainbuche und wildem Ahorn.

Aufgrund des geringen Gewichts und dem ergonomisch angebrachten bzw. im vorderen Griff integrierten Gashebel war die Handhabung im Vergleich zur GHE 70R ungewohnt, aber nichtsdestotrotz zunächst gut.

Was allerdings schnell auffiel und auch den Hausmeistern und Privatanwendern (zumindest denen, die ich kenne) wahrscheinlich nicht passen wird, ist die Schwertlänge. Erstens muß man sich beim (Beet-)Kanten freischneiden recht tief bücken (und ich bin gerade mal 1,80 groß), dies geht auf den Rücken.

Gut, sowas weiß man vorher, die Schwertlänge ist ja bekannt. Zweitens: der Anstoßschutz des Messers ist leider so konstruiert, daß man sowohl beim Heckenschneiden (Rückschnitt, bei längeren Trieben bzw. Ästen) als auch beim Kanten freischneiden (z.B. bei dichtem Efeu) ständig hängenbleibt. Das nervt extrem, da man öfter wieder neu ansetzen und die selbe Stelle nochmals bearbeiten muß. Bei der 70R ist der Anstoßschutz nicht spitz, sondern eher abgerundet ausgeführt (siehe Vergleichsfoto GHE 18 und 70R), daher existierte für mich das Problem vorher nicht in dem Maße.

Um das ABS zu testen, habe ich maximal 10 dickere Ästchen geschnitten, dabei verschluckte sich das ABS ab und zu und die GHE fraß sich fest. Diese Problematik ist aber wahrscheinlich (oder hoffentlich) eher auf mich zurückzuführen, das ABS ist bei der Erstnutzung etwas ungewohnt.

Insgesamt war ich nach Beendigung der Arbeiten nicht so richtig von der GHE 18V-60 überzeugt.

Da die Wildwuchshecke ja eher unter die Rubrik leichter Rückschnitt fiel, war es an der Zeit, die Trimmschnittfähigkeiten zu testen. Also ging es ab in den Garten, um Lonicera, Eibe und Thuja in Form zu bringen. Ich war mir sicher: hier kann die GHE zeigen, was sie kann.

Leider war das Arbeits- und Schnittergebnis hier noch enttäuschender. Die Heckenschere rupfte mehr, als daß sie schnitt, allzu dünne oder weiche Ästchen wurden einfach ungeschnitten zur Seite geschoben, auch hier durfte ich dann mehrmals über die betreffende Stelle fahren. Irgendwie wollte ich es nicht glauben..

Wenn die Maschine logischerweise nicht zum radikalen Rückschnitt gedacht ist (obwohl sie zumindest die Aufgabe des leichten Rückschnittes eigentlich problemlos hätte meistern sollen), erwarte ich wenigstens einen sauberen Trimmschnitt. Aber das Gerät scheiterte an dünnen Eiben-/Lonicera-/Thuja-Ästchen.

Ich hatte mir nach all den Lobpreisungen mehr erwartet und war mehr als enttäuscht.

Die gesamte Arbeitszeit betrug 3-4 Stunden inklusive Grünschnitt aufladen bzw. saubermachen.

Da meine Maschinen nach getaner Arbeit immer gründlich gereinigt werden, lüftete sich auch alsbald das Geheimnis des sehr unsauberen Schnittes: Das Messer war nach so kurzer Zeit schon komplett schartig (siehe Fotos)!

Ich dachte zunächst, ich hätte ein Montagsgerät erwischt, aber bei Rückfragen an andere Besitzer der GHE 18V-60 kam das selbe Ergebnis zum Vorschein: die Messergüte ist katastrophal. O-Ton eines Verwenders: Man könnte meinen, daß sei Trompetenblech und kein Stahl.

Und diese einhellige Meinung wird nicht von gewerblichen Hausmeistern, sondern von Privatpersonen vertreten, die in ihrem Garten herumschnippeln. Einer der Befragten hat neben der blauen auch die grüne Akkuheckenschere; wiederum O-Ton: Die Qualität des grünen Messers ist um Welten besser als die des Blauen (ganz einfacher Nachweis: die grüne Heckenschere ist schon etwas länger in Benutzung und das Messer ist noch nicht schartig!)

Auf meine Nachfrage, ob man denn das grüne Messer auf die GHE 18V-60 montieren könne, kam nur ein hämisches Grinsen und die Antwort natürlich NICHT.

Mit so einem Ergebnis kann weder der Privatanwender noch der Hausmeister etwas anfangen, ein sauberer Trimm-Heckenschnitt ist mit so einer miserablen Messerqualität einfach nicht möglich.

Auch diese beiden Zielgruppen werden durchaus mal 3-4 Stunden (inkl. saubermachen) mit der Heckenschere arbeiten. Danach DARF ein Messer NICHT so aussehen. Ich bin mehr als schockiert und auch sprachlos.

Ich habe schon oft mit der 36V GHE 70R in versteckte Eisen, zugewucherten Maschendrahtzaun und andere unschöne Dinge hineingesäbelt dementsprechend sah das Messer aus, bis ich es kürzlich durchgefeilt habe. Trotzdem waren die Trimmschnitte schon VOR der Feilerei sauberer als mit dem gerade mal 2-3 Stunden genutzten Messer der GHE 18V-60. Einfach mal die Bilder des schartigen Messers auf sich wirken lassen...

Es gibt natürlich auch Positives zu berichten; der 4er Procore hatte nach Beendigung der Schneiderei immer noch 2 Balken, was mich wirklich überrascht hat. Akkuhungrig ist die GHE definitiv nicht. Auch, daß man aus so einer kleinen und leichten Maschine soviel Leistung herausholen kann (obwohl nur 18V), ist beachtlich. Da hat die Entwicklungsabteilung wirklich großartige Arbeit abgeliefert!

Mein Fazit:

Leider wurde (wieder mal) am falschen Ende gespart. Eine noch so tolle Heckenschere nützt nichts, wenn das Messer nichts taugt.

Fast mein komplettes Zubehör (alle GST-, GSA-, GKS-, GKT-, GCM-, GOP- und GKM-Blätter, Flexscheiben, SDS Plus und Max Bohrer/Meissel, Lochsägen-Sets, Schleifscheiben in allen Durchmessern und Körnungen sowie partiell Fräser) ist von Bosch und dort steht die Qualität außer Frage.

Ich kann nicht verstehen, daß ein Hersteller von wirklich hochwertigem Zubehör- und Verbrauchsmaterial bei einer Heckenschere solch ein Messer ausliefert. Die GHE 18V-60 könnte eine super Einsteiger-Heckenschere sein, die das Zeug dazu hat, dieses Segment kräftig aufzumischen.

Dagegen sprechen

die extrem miserable Messergüte,

(das meiner Meinung nach zu kurze Messer,)

(der etwas dünne und unsauber gefertigte Messerschutz,)

der meiner Meinung nach verschlimmbesserte und nervige Anstoßschutz sowie

das ab und an zickende ABS (dies kann aber durchaus auch an mir liegen, vielleicht mache ich da irgendetwas falsch).

Dafür sprechen

der überraschend leistungsstarke bürstenlose Motor,

der geringe Akku-/Stromverbrauch bzw. die lange Laufzeit,

das geringe Gewicht,

daß die GHE extrem gut ausbalanciert ist,

die grundsätzlich gute Verarbeitung (Gehäuse, Spaltmaße,..),

die ergonomische Handhabung (z.B. Gashebel im vorderen Griff integriert),

die ABS-Funktion.

Ich hoffe, mein Urteil ist nicht zu hart ausgefallen und möchte noch einmal betonen, daß die GHE 18V-60 keine schlechte Maschine ist im Gegenteil. Aber es sind (meiner Meinung nach) definitiv kleine Änderungen notwendig, damit man sie bedenkenlos weiterempfehlen kann.

Tester

Mark

Verwendetes Werkzeug

Bosch Akku Heckenschere GHE 18V-60

Gewerk

Outdoor